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11. Der Freistuhl in Merfeld

Die Familie von Merfeld trug die Freigrafschaft Hastehausen, später auch Merfeld genannt, von dem Grafen zu Ravensburg zu Lehen. Letzterer trug hinwiederum die Freigrafschaft von Stifte Münster zu Lehen. Sie erstreckte sich über einen großen Teil des Kreises Coesfeld und darüber hinaus. Die von Merfeld übten ihre Gerechtsame in dem Bezirke durch vom Kaiser bestätigte Freigrafen aus. Wie jede Freigrafschaft hatte auch diese mehrere Freistühle, wo das offene wie das heimliche Gericht der Landesgewohnheit nach gehalten wurde. Den Freistühlen waren einige Bauerngüter mit freien Leuten zugelegt, damit aus ihnen die Freischöffen gemacht werden konnten.

Von den Freistühlen versetzten die Herren von Merfeld 1391 die zu Holtwick, Darfeld und Varlar und 1423 den zu Flamschen. Noch andere Freistühle wurden verpfändet, wie der zu Nottuln. Im Anfang des 16. Jahrhunderts besaßen sie nur noch den Freistuhl zu Hastehausen. Doch auch dieser verschwand, wie alle übrigen, da wegen der eingeschlichenen Mängel und Unordnungen ein Verbot ergangen war, fernerhin Streitsachen vor die Freigerichte zu bringen. Die Herren von Merfeld verlegten deshalb das Freigericht in den Bezirk Merfeld. 1558 ließ Adolf III. von Merfeld einen Galgen dort aufrichten; er wagte es auch, Leute einzuziehen und hinrichten zu lassen, was ihm aber von der münsterischen Regierung ernstlich verboten wurde. Als Adolf dem ungeachtet 1578 jemanden hinrichten ließ, wurde vom Landtage beschlossen, daß Adolf und die Beisitzer des peinlichen Gerichts einen Abtrag tun, widrigenfalls ihre Güter mit Beschlag belegt werden sollten. (Kindlinger.)

Im dem großen Rechtsstreit um die Landeshoheit über Merfeld wurde seitens des Klägers als Beweis seiner Oberhoheit über die Herrlichkeit Merfeld folgendes behauptet:

Der Merfeldische Gerichtsstuhl (frye Stoel) stand seit undenklichen Zeiten unter der Linde vor dem Schlosse in Merfeld. (Die Linde wird noch heute dort gezeigt.) Um 1550 wurde der Schöffenstuhl auf den Wall vorm Schlosse, wo das Eigentum beider Häuser Merfeld zusammenstieß, verlegt. Zu der Zeit wurde der Stuhl mit Holzwerk erneuert und mit besonderen, weit umschränkten Riegeln und Pfosten befestigt.

Die Junker von Merfeld ließen die Gerichtsbarkeit durch einen Freienstuhlsrichter (Freigrafen) ausüben. Dieser mußte vom Erzbischof zu Cöln bestätigt sein. Am Freigericht wurden nur peinliche (Kriminal-)Sachen verhandelt. Wenn der Freigraf Gericht hielt, hatte er seine freien, beeidigten Schöffen um sich sitzen. Vor sich auf der Gerichtsbank (Tisch) hatte er ein bloßes Schwert und einen Struppen (Schlinge) liegen. Unter den Bezirk des Stuhls gehörten nicht allein die halbe Stadt Coesfeld und die Dörfer Lette, Darfeld, Darup und Rorup, sondern auch viele Bauernschaften wie Merfeld, Welte, Börnste, Empte, Loscheide (Leute) und Kötterstätte (Mitwick-West). Die Bauernrichter und die Bauern der Ortschaften wurden durch den vereidigten Gerichtsfrohnen an das Gericht gefordert. Den Bauernrichtern wurde dort angezeigt, daß sie sich mit ihren Mitbauern bedenken und mittels Eides alles einbringen sollten, was nach Freistuhls-Gerechtigkeit und Gebrauch in ihren Bauernschaften Wrogbares vorhanden sei – bei Vermeidung des Meineids und der Strafe des Ungehorsams. Die unter den Freistuhl gehörenden Bauern, welche ohne genugsame Entschuldigung ausblieben, verfielen dem Freigrafen mit einer Brüchte (Strafgeld).

Die freien Schöffen wurden aus der Dienerschaft des Schlosses, auch aus der Bürgerschaft Dülmens und Coesfelds ernannt. So waren als kaiserliche Freischöffen bestellt Drees auf dem Herteler aus Lette, sowie Ratsverwandter und Herbergierer Bernard Isfording aus Dülmen.

1576 ließ Adolf von Merfeld vor seinem Schlosse einen Schandpfahl aufrichten, welcher zuvor allda niemals gesehen war. Die Regierung machte jedoch das Recht streitig und ließ den Pranger wegräumen. Der Junker ließ einen neuen Pranger aufrichten und dort einen Dieb erbärmlich martern trotz der vom Stift angedrohten Strafe von 2000 Goldgulden. Ferner ließ von Merfeld einen Schneiderjungen um eines Diebstahls willen von seinem Hause ab ein Stück Weges mit Ruten ausstreichen und dann laufen. Hernach wurde der Junge nochmals festgenommen und vor der Pforte zu Merfeld durch einen ausländischen Scharfrichter (aus Ratingen) abgehauen und laufen gelassen – der Regierung zum Hohne.

Das Freistuhlgericht des Hauses Merfeld und das Gericht Dülmen hatten einen gemeinsamen Galgen in der Börnster Mark. Der Galgen war vom Drosten des fürstlichen Amts Dülmen, Heinrich von Merfeld, welcher nach der Inschrift auf seinem Grabsteine 1530 verstorben war, errichtet worden. Er diente als Richtplatz sowohl für Uebeltäter, welche vom Gogericht Greinkuhlen bei Dülmen, als auch vom Freigericht Merfeld bestraft waren. Der Bischof von Münster hatte den Herren von Merfeld die Mitbenutzung des Baumes gestattet. Jedoch war der Freigerichtsgalgen von dem des ordentlichen Gerichts unterschieden. Letzteres hatte den obersten, ersteres den unteren Querbalken zu benutzen.

Der berüchtigte Räuber und Mörder Schuirhenne war der Erste, welcher wegen seiner Untaten durch den Strang dort hingerichtet wurde.

1558 wurde Herbert zur Halle aus Börnste vom Richter Jost von Frechen wegen Pferde- und anderer Diebstähle zum Tode durch den Strang verurteilt und danach dort gehenkt.

1562 wurde Johann Kampschulte wegen Totschlags, begangen an Bernd Schlüter, auf Haus Merfeld eingezogen, etliche Monat gefangen gehalten, dann an die Gerichtsbank vor der Pforte vor Recht gestellt, zum Tode verurteilt und zum Richtplatz in dem nahe gelegenen Börnste abgeführt. Hier wurde der Uebeltäter vom Scharfrichter mit dem Schwerte hingerichtet. Der tote Körper wurde binnen Dülmen auf dem Kirchhofe begraben.

Ebenso wurde Brüggenbroich, weil er eine Kuh gestohlen, im Kirchspiel Lette gefangen, am Merfelder Freistuhl durch die Freischöffen gewrogt und auf der Börnster Heide gehenkt.

Johann Schlüter wurde wegen einer Uebeltat vom Junker von Merfeld verfolgt, auf dem Haverland vor Dülmen eingefangen, zu Merfeld gefänglich verstrickt und mit dem Rade auf der Heide vom Leben zum Tode gebracht.

1590 hatte Adolf von Merfeld einen Leibeigenen des anderen Hauses Merfeld in Haft nehmen lassen. Als der Delinquent im Gefängnisse sich ums Leben gebracht, ließ der Junker den Leichnam unter dem Galgen in Börnste injuriose begraben.

Ueber den Freistuhl verhalten sich folgende Akten im Herzogl. Croy'schen Archive Abteilung Merfeld:

  1. Register van den fryen Stoell to Hastehusen 1504-41

  2. Protokoll des freien Stuels zu Hasthusten 1558-66

  3. Register und Upteckinghe wegen der Vrigraveschop Mervelde 1533, 6.8.48. 50 (d. i. Verhandlungen des Go- und Holzgerichts zu Mfd.).

  4. Besichtigung des neuen Galgens in Mf. 5. Dez. 1558

  5. Verzeichnis der zu Mf. Geübten Kriminal-Erxercitien 1513-1609.

  6. Briefe des Herzogs Wilhelm zu Jülich-Cleve-Berg an Adolf zu Mff. Betr. Wiederaufrichtung des Galgens 1587,

  7. Auf den Galgen in Mf. Bezügl. Briefschaften mit Domkapitel von Münster 16. Jhdt.