<vorige Seite> <Inhaltsverzeichnis> <nächste Seite>
8. Der Merfelder Wald
Die jetzigen weiten Oedflächen der Heubachniederungen trugen, so berichtet Longinus, früherhin einen anderen pflanzlichen Charakter. Das beweisen die Spuren mächtiger Eichenbestände, welche ehemals den Boden beschatteten. Besonders nach dem großen Moorbrande im Weißen Venne (etwa 5 km oberhalb Brokmühle am Heubach), der im Sommer 1893 über 1000 Morgen ergriff, sind die Zeugen des einstigen Waldkleides aus der versenkten Moorhülle sichtbar geworden: Gewaltige Wurzelstöcke von über 3 Meter Durchmesser und umgestürzte Eichenstämme von 5 bis 6 Meter im Umfange!
Heute ist Laubwald in Merfeld nicht zu finden. In den alten Archivurkunden ist aber vielfach von einem Wald dort die Rede. So wurde 1316 über die Merfelder und Letter Mark verabredet, daß Hermann von Merfeld die Fischerei durch den ganzen Wald und die Jagd genannt Wildforst erhalten sollte. 1394 heißt es: „Wir Gebrüder von Merfeld behalten zusammen den Woildt (Wald), die Fischerei in dem Walde und wenn neue Kotten vor dem Walde aufgeschlagen würden (d.h. Der Wald weiter gerodet worden wäre), so usw.“ 1461 wurde zwischen den Gebrüdern von Merfeld ausbedungen, daß beide die Wildbahnen, die Fischerei und die Mast in dem Walde zugleich gebrauchen sollten. Der Grund vor dem Walde wurde nach und nach vergrößert und so mehr und mehr davon mit Zäunen und Wallhecken umgeben und in Kultur genommen. In einer Urkunde von 1497 kommt noch die Gegend vor dem Walde und der Wald vor: „unsere Leute, die vor dem Walde wohnen...“ In den Urkunden von 1626, 1640, 1682 kommt aber das Wort Wald nicht mehr vor; es ist nur die Rede von dem Broke (Bruche) – ein Beweis, daß man damals mit dem Ausroden fertig geworden war und der Merfelder Bruch, wie er heute daliegt, seinen Anfang genommen hatte.
Einen Einblick in diesen Raubbau, denn von Neu-Anpflanzungen ist niemals die Rede, gewähren die Klagepunkte, welche Heinrich von Merfeld gegen seinen Vetter Johann von Merfeld, den Besitzer der anderen Hälfte des Hauses Merfeld, beim Landesherrn in Münster 1521 eingereicht hat (Kindlinger Urk. 72). Darin wird Johann beschuldigt, nicht allein für sich 9 neue Häuser und Kotten gezimmert und noch einmal soviel Fischkörbe in die „Woltbecke“ (Heubach) gelegt zu haben, sondern der Vetter habe auch merklich mehr Brandholz in ihrem gemeinsamen Walde gehauen: „da er vor mir merklich Dienste hat, so hat er dieses Jahr wohl 5 Reisen mit allen seinen Diensten geholtzt und hat über das meinige gehauen wohl 2000 Fuder (twe duysen Voder) mehr denn ich und daneben volle Eichen und Buchenholz“. Die 36 Merodeschen und die 31 Merfeldschen Eigenhörigen hatten jeder wöchentlich 2 x einen Spanndienst mit 2 Pferden zu leisten. Das Jahr nur zu 50 Wochen gerechnet, so würden insgesamt 6700 Fuhren in jedem Jahre zu stellen gewesen sein. Daneben waren obendrein 6700 Hand- und Hofesdienste zu prästieren.
Den hörigen Bauersleuten war es streng untersagt, wie dieses in vielen Gewinnbriefen zum Ausdruck gebracht ist, Eichen oder Buchen bei Vermeidung von Strafe zu fällen; sie mußten sich das nötige Holz von der Gutsherrschaft anweisen lassen. Selbst das auf ihrem Erbe stehende Gehölz blieb der Anweisung und Aufsicht der Herrschaft unterworfen.
Der Stolz und Reichtum eines herrschaftlichen Guts ist gewöhnlich ein alter Waldbestand. In Merfeld finden wir nur einige prächtige Baumgänge (Eichen, Buchen, Lärchen) in der Umgebung des Schlosses, im Schloßparke alte Nadelholzbäume, besonders Weymouthskiefern.
Mit der Rodung des Waldes aber war der Raubbau noch nicht beendet. Die abgeholzten Strecken wurden zu Heiden. Nun trat die Heidemahd, der Plaggenhieb und Suddenstich verwüstend auf. Das Heidekraut und die Heideplaggen mußten als Streu und Dünger herhalten. Die Heiden wurden so ihrer fruchtbaren Erdkrumme beraubt: eine Wüstenei wurde geschaffen.
In der „Kundschaft von des Stifts Münster Wildbahn“ vom Jahre 1597 wird durch den münst. Hofjäger bekundet, „daß das Haus Merfeld zur groben Jagd im Merfelder Wald als die Stever und Schothorst berechtigt ist; darinnen pflegt gleichwohl der Landfürst dieses Stifts zweimal des Jahres, als einmal bei Gras und einmal bei Stroh zu jagen“. (Ztschr. Mstrld. 1921 S. 302.)