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6. Das Wahrzeichen Merfelds: Die Wildpferde

Ehemals lebten im ganzen Merfelder Bruche wilde Pferde. Solche fanden sich auch in den angrenzenden Letter, Steveder und Tungerloher Bröken vor. Die Tiere lebten in völliger Freiheit und waren auf eigenen Unterhalt angewiesen. Von Zeit zu Zeit wurde eine Anzahl Hengste eingefangen, für den Selbstgebrauch geschoren und mit großer Mühe angelernt oder auch auf dem Pferdemarkte zu Klye bei Coesfeld verkauft. Die Tiere stammten aus der Urzeit Merfelds und lebten hier, ehe sich Menschen angesiedelt hatten. Schon in einer Urkunde von 1316 über das Schüttungsrecht in den Merfelder und Letter Marken werden die vagi equi (die umherschweifenden Pferde) genannt. Der Besitzer des Hauses Merfeld erhielt das Recht der wilden Pferde über den gesamten Wald (s.Nr.7).

Als 1845 der große 4000 Morgen umfassende Merfelder Bruch geteilt wurde, mußte die Pferdezucht darin aufhören, wie in den übrigen angrenzenden Marken. Der Herzog v. Croy, seit 1836 Eigentümer des Hauses Merfeld, ließ eine ihm aus der Teilung ausgewiesene, 50 ha große, mit Kiefern, Erlen und Birken bestandene Grasfläche in der Nähe des Heubachs als Wildgestüt umfriedigen. Hier leben nun die Wildpferde in völliger Freiheit auch den Winter über und ohne Schutzvorrichtungen. Nur in strengen Wintern wird ihnen einiges Heu hinausgebracht. Die Pferde sind klein von Gestalt, doch an Ausdauer und Anspruchslosigkeit kaum zu übertreffen. Sie haben einen gedrungenen Körperbau, eisenfeste Beine und eine unverwüstliche Gesundheit. Die übrigen Wildgestüte Westfalens, wie die der Davert, des Emscherbruchs, der Senne sind längst ausgestorben. So bildet die Wildbahn in Merfeld mit ihren Tieren aus der Urzeit eine Seltenheit und Sehenswürdigkeit des Münsterlandes, ja Westfalens. Zur Sommerzeit findet sich denn auch mancher Besuch dort ein. Von Dülmen aus ist die Wildbahn 2 Wegestunden, von der Eisenbahn-Haltestelle Maria-Veen ½ Stunde entfernt. Bewundert wird die lange Mähne, das krause Wollhaar und der bis zur Erde reichende Schweif der Tiere. Die jungen Pferde von der Größe eines Jagdhundes erregen besonders bei den jungen Zuschauern das höchste Entzücken.

In neuerer Zeit hat der Herzog v. Croy die Wildbahn im Merfelder Bruch vergrößern lassen; die Zahl der Wildpferde ist von 50 auf einige Hundert gestiegen. Jedes Jahr im Monat Mai werden die einjährigen Hengste mit Fangleinen (Lassos) eingefangen und an Ort und Stelle von herzoglichen Beamten öffentlich versteigert. Bei dem am 13.05.1921 nachmittags dort abgehaltenen Verkaufe von 15 einjährigen Ponyhengsten wurden Preise von 1925 bis 3800 Mark erzielt. Die kleinen wurden nach Recklinghausen, Ochtrup, Hiddingsel, Anholt, Nottuln, Tiere Gladbeck, Buldern, Coesfeld und Dülmen verkauft. Der Andrang von Schaulustigen beim Anfangen und Verkaufe der Ponys war so groß, daß allgemein der Wunsch nach dem Bau von Tribünen für spätere Gelegenheiten laut wurde. Der ergötzliche Vorgang des Einfangens der Wildpferde wurde in dem Jahre zum 1. Male kinematographisch aufgenommen; der Film wurde im Roland-Theater zu Münster vorgeführt.