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2. Der alte Hellweg

Haus Merfeld liegt eine Wegstunde westlich von der Stadt Dülmen am alten Borkener Wege. Diese uralte Landstraße wird in den alten Prozeßakten „der gemeine Hellweg, der aus den Niederlanden nach dem Lande Braunschweig führt“ genannt. Das Haus Merfeld ist nördlich daran gelegen; der Weg ist hier aus seiner geraden Richtung gedrängt, bildet einen stumpfen Winkel bis zum westlich vom Hause gelegenen Pfarrhause, um hier rechtwinklig nach Westen umzubiegen und als Borkener Landstraße dem großen Merfeld-Letter Brok zuzustreben. Vom Hause des Wirts Göckener dort bis zur Stadt Dülmen ist der ehemalige Sandweg als Kunststraße ausgebaut; doch nach Borken zu hat der alte Weg noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt. Seine behäbige Breite und seine krumme Linie hat er allerdings durch die Markenteilungen und durch die damit verbundenen Landvermessungen verloren. Ganz mit Heidekraut überwachsen durchzieht er jetzt in gerader Linie die braune, weite Heide. In seiner Mitte haben die Wagenräder ein tiefes Geleise in dem natürlichen Boden hinterlassen. Heute hat der Verkehr andere Wege gefunden! Kunststraßen und Schnienenstränge führen besser und schneller zum Ziele, so daß dieser Weg nur noch dem örtlichen Verkehre dient.

Doch auch der alte Hellweg hat glanzvolle Zeiten gesehen, als noch der Merfelder Wald mit seinen alten Eichen und Buchen, deren so oft in den alten Urkunden Erwähnung geschieht, zu beiden Seiten sich schweigend ausbreitete. Als noch der Heubach den Namen Waldappe, später Woldbecke (Waldbach), führte. Als noch ein schmaler Damm zur Zeit der Römereinfälle (nach Longinus) den Verkehr durch die Sumpfniederung des Heubachs vermittelte, welcher, wie heute die Landstraße Dülmen-Borken, die schmalste, kaum 3 km breite Sumpfstrecke überbrückte. Der römische Verkehr hier wird durch Funde römischer Münzen erwiesen, welche nördlich vom Moorübergange an der Straße bei der Letter Kluse gemacht worden sind. Hier gabelte sich der römische Uebergang, ein Arm der Straße ging nordöstlich am Humberg vorbei durch die Bauerschaft Welte auf Warendorf an der Ems, der andere durch Merfeld, nördlich an Dülmen vorbei, über Haus Osthoff, um bei Wiedenbrück die Ems zu erreichen. Beide Straßen sind durch Reste römischer Erdanlagen und Funde römischer Gegenstände gekennzeichnet. Namentlich an der nördlichen Seite des Humbergs bei Lette sind noch deutliche Spuren der alten Römerstraße erkennbar, trotzdem die Markenteilung die Verwischung der alten Anlagen großen Vorschub geleistet hat. Ferner findet sich ein Stück des Weges aus der Römerzeit in Gestalt eines dreifachen Dammes heute noch nördlich und dicht am Wege und gleichlaufend mit ihm bei Rektorathause zu Merfeld. Der Einebnung ist dieser Wegerest anscheinend durch die Erbauung der Burg Merfeld und der damit verbundenen Verlegung des Hellweges entgangen. Der mittlere Damm soll den römischen Kriegern als Weg, die Seitendämme als Deckung bei feindlichen Angriffen gedient haben.

Im Mittelalter sehen wir die langen Wagenzüge der Kaufleute aus den Niederlanden und dem Westen Deutschlands über den Hellweg ziehen, um ihre Waaren nach dem Osten bis in Rußland hinein zu schaffen und um nach Jahr und Tag mit den eingetauschten Gütern heimzukehren. Damals erschallten die Lieder, wie sie noch heute in Flandern gesungen werden:

Naer Oostland willen wi reiden,
naer Oostland willen wi mee (mit),
all over die groene Heiden,
frisch over die Heiden,
daer isser een betere Stee! (Stätte.)