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0. Vorwort

Das ehemalige Reichsfürstentum Münster (1190-1803) war kein in sich abgeschlossener Staat, sondern es war von mehreren kleineren Staatsgebieten durchsetzt. Im Laufe des Mittelalters war es den Bischöfen von Münster gelungen, die meisten im Bistum zerstreut liegenden Gebietsteile des Uradels an sich zu bringen – bis auf drei. An der Grenze gegen Holland, im fürstlichen Amte Bocholt, lag die reichsunmittelbare Herrschaft Anholt. Die Herrschaft Gemen, vom Amte Ahaus umschlossen, hatte lange mit Münster in Streit gelegen, bis 1700 ein Vergleich geschlossen wurde, wodurch die Stadt Gemen mit den Bauernschaften Binnenwirthe und Krückeling als reichsunmittelbare Herrschaft Gemen anerkannt wurde. Ferner wurde 1720 der Rechtsstreit der Grafschaft Steinfurt, die vom Amte Horstmar eingeschlossen war, mit dem Fürstbischofe von Münster durch Vergleich beendet; die Stadt Burgsteinfurt mit den Bauernschaften Hollich, Sellen, Veltrup wurde als reichsunmittelbare Grafschaft Steinfurt anerkannt. (Olfers.)

Noch ein 4. Gebietsteil, die Herrlichkeit Merfeld, im münsterschen Amte Dülmen, stritt um Anerkennung der Landeshoheit mit dem Bischofe. Seit dem Jahre 1577 schwebte der Rechtsstreit darüber beim Reichskammergericht und konnte nicht zum Urteilsspruche kommen. Da erschien 1787 in Münster ein Buch im Drucke „Merfeldische Geschichten“ mit 150 Urkunden als 1. Band „der Münsterischen Beiträge zur Geschichte Deutschlands, hauptsächlich Westfalens“. Verfasser war der berühmte westfälische Geschichtsschreiber Nikolaus (mit Klosternamen Venantius) Kindlinger, Minorit im Kloster zu Münster. Anlaß zur Herausgabe des Werkes gab dem Geschichtsforscher eine Bekanntmachung in den öffentlichen Zeitungen, wonach von Seiten der Vormundschaft des Grafen von Bretzenheim die „reichsunmittelbare“ Herrschaft Merfeld verpachtet werden sollte, sowie der Einspruch der münsterschen Regierung gegen die Bezeichnung „reichsunmittelbare“ Herrlichkeit. „Dies veranlaßte mich,“ schreibt Kindlinger in der Vorrede seines Buches, „der Sache tiefer nachzudenken; ich sammelte die Data, welche zur Aufklärung der wahren Lage und Beschaffenheit Merfelds etwas beitragen möchten.“ Zu dem Zwecke hat der Mönch das Archiv an Ort und Stelle durchforscht und sogar ein Verzeichnis der Akten und Urkunden angefertigt.

Trotzdem sich Kindlingers Schrift zu Gunsten des Bischofs von Münster erklärt und ihn als Gebietsherrn über Merfeld offen ausspricht, war der Rechtsstreit 1803 (nach 225 Jahren – mit großer Unterbrechung - ) noch nicht beendigt. In diesem Jahre wurde dem Bischof von Münster, dem Mitverklagten im Prozesse, die Landeshoheit genommen und er schied so aus dem Streite aus. Der Herzog von Croy wurde Landesherr über das ehemalige Amt Dülmen. Da entsteht die Frage, was ist aus dem Jahrhunderte lang dauernden Rechtsstreite geworden? Nirgends, in Schriften und Büchern, wird darüber Bericht getan, auch mündlich weiß niemand Auskunft zu geben. Kindlingers Buch, das den Prozeß zu beeinflussen geschrieben worden war, konnte nicht weiter geführt werden. Denn der Mönch mußte nach Aufhebung des Klosters 1803, um sein Brot zu verdienen, als Handwerker in die Fremde gehen. Weit über ein Jahrhundert ist seit dem Erscheinen des Buches dahingegangen. Dieses Jahrhundert ist auf die Entwicklung Merfelds mit seinem Edelsitze von allergrößtem Einflusse gewesen, mehr wie alle früheren Jahrhunderte. Die Gemeinde Merfeld ist mehr und mehr in der Entwicklung fortgeschritten, sie strebt mehr und mehr nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Sie ist jetzt durch Kunststraßen dem Wagen- und Autoverkehr und durch naheliegende Eisenbahn-Haltestellen dem allgemeinen Verkehre angeschlossen. Die Volksschule hat schon längst die 3. Lehrkraft und bereits vor 10 Jahren erfolgte die Erhebung der Vikarie zum Rektorate. Die Erbauung einer Kirche und der Herstellung eines Friedhofes wird die Ernennung zur selbständigen Pfarrei folgen. Da wird es manchem Heimatfreunde und den Einwohnern willkommen sein, einiges geschichtliches über den Werdegang Merfelds von der Entstehung bis zur Gegenwart zu erfahren und die alten „Merfeldische Geschichten“ aufgefrischt und bis zur Gegenwart fortgeführt zu sehen.

Möchten diese Zeilen den Merfeldern ein Ansporn sein, auszuharren auf dem Besitztum ihrer Vorfahren, welche es im harten Kampfe, namentlich gegen den Fronhof, haben behaupten und erkämpfen müssen. Mögen sie weiter schreiten auf dem Wege zur Vollkommenheit: denn ohne Kampf kein Sieg und ohne Fleiß kein Preis!