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18. Die Bauernerhebung in Merfeld 1809

(Nach Dr. Knops, die Aufhebung der Leibeigenschaft in nördlichen Münsterlande.)

 Das münsterische Amt Dülmen wurde 1803 als selbständige Grafschaft dem Herzog v. Croy unterstellt. Kaum 3 Jahre später wurde es dem Staate des Herzogs v. Arenberg angegliedert. Unter dessen Regierung verfügte ein Gesetz vom 28.1.1808, daß vom Tage der Veröffentlichung an alle Leibeigenschaft und Eigenhörigkeit aufgehoben sei. Ohne Entschädigung der Gutsherrschaft wurde ferner aufgehoben der Zwangsdienst der Kinder der Hörigen, die sie ihrem Gutsherrn gewöhnlich ½ Jahr lang ohne Entgeld leisten mußten, sobald sie dazu aufgefordert wurden; sodann das Lösegeld, das bei Abzuge vom Hofe von den hörigen Kindern dem Gutsherrn gezahlt wurde und endlich die Gerichtsbarkeit des Gutsherrn über ihre Hörigen. Geld- und Fruchtabgaben dagegen blieben bestehen. Wegen Abschaffung der Spann- und Handdienste stellte das Gesetz eine nähere Verordnung des Herzogs in Aussicht. Doch diese blieb aus - wohl absichtlich. Der Herzog war selbst einer der bedeutendsten Gutsherrn. Er betrachtete das von ihm erlassene Gesetz, wie er selbst später geäußert hat, als ein von der Gewalt des französischen Kaisers Napoleon aufgedrungenes. Daher war die Arenbergsche Gesetzgebung über die Leibeigenschaft unklar und flüchtig in Form und Inhalt. Der Herzog hielt fernere Neuerungen nicht für notwendig, wenn er nicht von Napoleon dazu gedrängt wurde.

Schon früh scheint sich im Merfelder Gebiet das Verhältnis zwischen Gutsherrn und Bauern zugespitzt zu haben, wie ein Gesuch des Freiherrn Theod. v. Merode an die Regierung in Recklinghausen vom 15.4.08 ergibt: Der Verwalter der sequestierten Gerichtsbarkeit in Merfeld-Merfeld hatte sich zum Bevollmächtigten der Bauersleute gegen Frhrn. v. Merode aufstellen lassen. Deshalb wurde der Dülmener Richter Busch auf Bitten des Freiherrn von der Regierung beauftragt, das Eigentum an den Bauernhöfen in Merfeld festzustellen. Die Hofbesitzer faßten das Gesetz so auf, als wenn die Gutsherrn nicht mehr berechtigt wären, Hand- und Spanndienste zu fordern, sich vielmehr mit einer geringen Vergütung begnügen mußten. Die Merfelder klagten 29.9.1808 ihrem Landesherrn, daß sie durch Kriegsfuhren, - Lieferungen, - Steuern und landesherrliche Gefälle an sich schon sehr bedrückt würden; es sei ihnen daher unmöglich, ihre vier Hand- und Spanndienste in der Woche zu leisten. Sie seien bereit, diese Dienste durch eine angemessene Geldleistung loszukaufen.

Die Regierung erklärte, die Gutsherrren seien berechtigt, die Dienste zu fordern, so lange die Bauern die Entschädigung dafür nicht entrichtet hätten. Demnach verlangte Fhr. v. Merode mit Strenge die Leistung seiner Dienste. Die Pflichtigen aber legten Verwahr gegen dieses Ansinnen beim Gutsherrn wie bei der Regierung ein und erklärten abermals, es sei ihnen unmöglich, den 4tägigen Wochendienst zu leisten und gleichzeitig sich den Kriegssteuern und den Truppen-Einquartierungen zu unterziehen, da ihnen nur 2 Tage zu eigener Arbeit verblieben. - Tatsächlich waren 4 Dienste in der Woche etwas ungewöhnliches im Münsterlande. Die münst. Eigentumsordnung hielt einen wöchentlichen Dienst für das gewöhnliche. Die Merfelder hatten aber nicht nur Spanndienst mit 2 Pferden wöchentlichen 2 mal und Handdienst ebenfalls wöchentlich 2 mal zu leisten, sondern sich und ihre Pferde den Lebensunterhalt dabei auf eigenen Kosten zu beschaffen. Dieses besagen die gutsherrlichen Anmeldungen zum Grundbuch i.J. 1816.

Als die versprochene und erhoffte „nähere Verordnung“ des Herzogs immer noch vergebens auf sich warten ließ, weigerten sich mitte 1809 die Merfelder Bauern, des Wartens müde, den 4tägigen Wochendienst überhaupt noch anzuerkennen. Ihre Weigerung teilten sie der Regierung mit. Denn diese hatte sich selbst die Entscheidung der Klagen über die fraglichen Dienstleistungen vorbehalten und die den Gerichten entzogen. Sie „verurteilte“ denn auch die Merfeldschen, die bisher schuldigen Dienste weiter zu leisten. Um aber die Entscheidung mit Nachdruck durchzuführen, sandte die Regierung eine Abteilung Jäger nach Merfeld, um sich einiger Störrigen zu bemächtigen. Das war Oel ins Feuer gegossen! Allgemein erhoben sich die pflichtigen und, mit Flinten und Knütteln bewaffnet, vertrieben sie die Soldaten nebst ihrem Gutsherrn.

In dieser Not wandte sich die Regierung an den kaiserlich französischen Kommissar im Großherzogtum Berg um militärische Hilfe zur Wiederherstellung der Ordnung. Der Kommissar tadelte die Regierung, daß sie Gewalt angewendet hätten, anstatt die Gerichte entscheiden zu lassen. Er beauftrage den General Damas Ruhe zu schaffen, falls die Aufrührerische Bewegung sich nicht legen sollte. Nun erschien (nach mündlicher Ueberlieferung) eine Schwadron Husaren in Merfeld und nahm Verhaftungen vor. Zwei Rädelsführer wurden standesrechtlich erschossen, indem sie an den Pappelbäumen am Borkener Wege, dem Schlosse gegenüber, aufgestellt wurden. Das Kirchenbuch meldet: am 7.7. 1809 tot geschossen: Gerh. Herinr. Maasmann gnt. Wescher, geheir. mit A.M.Gelschefarth, 33 Jahr alt, und Joh. Heinr. Rehers gent. Bernd Terfort, Ehemann der Anna Marg. Sandscheipers, 41 Jahr alt.

Die Ruhe kehrte nun zurück in Merfeld. Ob aber die schuldigen Dienste geleistet sind oder Entschädigung dafür gezahlt ist, ist nicht bekannt. Aus den Grundbuch-Anmeldungen des Frhrn. v. Merode von 1816 geht hervor, daß seit 1811 jeder Kolon das Erbgewinn, die Hand- und Spanndienste, sowie das Hedespinnen verweigert hatte. Geld- und sonstige Abgaben waren geleistet worden.

Napoleon wurde von dem Geschehnis in Kenntnis gesetzt und sprach sich dahin tadelnd aus: „Die Untertanen des Herzogs von Arenberg sollen ebenso wie alle anderen Untertanen der Bundesfürsten die Wohltat der Abschaffung der Leibeigenschaft genießen. Regierung und Guts-Herr durften nicht die Abwesenheit ihres Fürsten benutzen, um einen Empörungsherd im Lande anzuzünden.“ (Der Herzog hatte 1809 am spanischen Feldzuge teilgenommen und war in die Gefangenschaft der Engländer geraten, worin er bis 1814 verblieb.)

Das Beispiel der Merfelder Bauern steht vereinzelt da in der Geschichte der Leibeigenschafts Aufhebung im Münsterlande. Aber auch auf keinem Rittergute sind die Hörigen mit Frohndiensten so beschwert gewesen, wie in Merfeld. Sie waren daher berechtigt, eine schnelle Ordnung der Sache zu verlangen.